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Die Kunst der Länge: Strich ist nicht gleich Strich.
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Die Kunst der Länge: Strich ist nicht gleich Strich.

Denn Strich ist nicht gleich Strich. Im Textsatz differenziert man vielmehr zwischen unterschiedlichen Typen von Strichen, denen jeweils andere Funktionen zugewiesen sind. Ihr Einsatz ist dabei nicht immer Pflicht. Und so mancher Strich in einem Text wird trennend eingesetzt – wobei zu viel nicht immer gut ist. Doch welche Stricharten gibt es?

Der Bindestrich (-) als Verbinder…

Am häufigsten haben es Setzer deutscher Texte sicherlich mit dem Bindestrich zu tun, auch Divis oder Trennstrich genannt. Er koppelt – wie sein Name schon andeutet – zusammenhängende Wörter. Der Klassiker sind dabei Straßen- oder Gebäudenamen, bei denen wie bei Ortsnamen oft auch Ergänzungen eine Rolle spielen. Außerdem kommt der Bindestrich zwingend zum Einsatz, wenn einzelne Zahlen oder Buchstaben mit einem Wort gekoppelt werden, etwa bei Altersangaben.

Bindestrich-Beispiele bei

Kopplung:

  • Die Kinder besuchen das Geschwister-Scholl-Gymnasium.
  • Papa feuerte seine Fußballmannschaft im Fritz-Walter-Stadion an.

Ergänzung:

  • Die Kinder nahmen für Hin- und Rückweg den Bus.
  • Papa besuchte Heim- und Auswärtsspiele seines Vereins.

Buchstaben und Ziffern:

  • Der 13-Jährige konnte Mathe nicht leiden.
  • Das Tor in der letzten Minute war das i-Tüpfelchen eines spannenden Spiels.

Der Bindestrich verbindet also Worte miteinander. Eine Tücke der Typografie ist jedoch, dass dies nicht bei allen Bindestrichen der Fall ist. Einige sind optional und trennen zugleich. Nämlich dann, wenn Wörter gekoppelt werden, um den Lesefluss zu erleichtern oder Zusammensetzungen zu verdeutlichen. Selbst erfahrene Redakteure sind hier oft unsicher im richtigen Einsatz des Bindestrichs.

Bindestrich für den Lesefluss:

  • Das Kantinen-Essen war wenig abwechslungsreich.
  • Das ganze Stadion jubelte über das Zauber-Tor.
  • Ein Schifffahrtskapitän-Fehler war Ursache der Havarie.

…und Trenner

Für Setzer besonders anspruchsvoll wird der Bindestrich allerdings, wenn er für den Umbruch von Wörtern am Zeilenende eingesetzt wird – als Trennstrich. Typographisch ist es dasselbe Zeichen, trennt allerdings Silben und nicht ganze Wörter. Zwar übernehmen die meisten Textverarbeitungs- und Satzprogramme diese Funktion automatisch – aber auch die machen Fehler. Es lohnt sich daher, die Umbrüche noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls manuell zu setzen. Denn eine falsche Trennung kann dazu führen, dass aus der „Blumen-Topf-Erde“ die „Blumento-Pferde“ werden. Beim Lesen kommt man dann ins Stolpern. Das ist auch der Fall, wenn zu viele Trennungen hintereinander vorkommen. Als Faustregel gilt: Mehr als drei Worttrennungen hintereinander sollten in einem Text am Zeilenende nicht vorkommen. In InDesign lässt sich dies bei den Einstellungen der Silbentrennung unter „Max. Trennstriche“ festlegen.

Ein Divis lässt auch mal aus

Neben diesen Einsatzgebieten wird der Trennstrich auch für Auslassungen genutzt. Beim „Im- und Export“, den „Autofahrerinnen und -fahrern” oder der „Zu- und Abfuhr“ steht der Bindestrich am Anfang oder Ende des Wortes, zu dem es eine Ergänzung in einem anderen Wort des Satzes gibt. Steht der Bindestrich am Wortanfang, wird das Wort klein geschrieben.

In allen genannten Fällen gilt für den Bindestrich übrigens eine essentielle Faustregel: Er steht nie zwischen zwei Leerzeichen.

Der Gedankenstrich ( ) als Pause

Unter anderem dieser Fakt unterscheidet den Bindestrich vom Gedankenstrich. Der steht nämlich oftmals – aber nicht ausschließlich – zwischen Leerzeichen. Er ist stets länger als der Bindestrich und wird meist in trennender Funktion verwendet, etwa um einen Einschub oder eine Pause zu kennzeichnen. Allerdings ist das nicht die einzige Funktion des Gedankenstrichs: So verbindet er auch zusammengehörige Wortgruppen und wird auch bei Zeit- und Streckenangaben verwendet. Und vor allem für Setzer wichtig zu wissen ist, dass der Gedankenstrich auch als Ersatz für ein Minuszeichen und bei Preisangaben verwendet werden kann.

Der Gedankenstrich kommt zum Einsatz bei:

Einschub oder Denkpause

  • Natürlich – wie konnte es anders sein – hatten die Kinder vergessen, die Hausaufgaben zu machen.
  • Sie würde nach der Arbeit noch Zeit haben, ins Fitnessstudio zu gehen – dachte sie zumindest.

Wortgruppen

  • Der Tagesablauf der Kinder bestand aus Schule – Hausaufgaben – Freizeit.

Zeit-, Ort- und Streckenangaben

  • Von 8:45 – 9:30 Uhr stand Erdkunde auf dem Stundenplan.
  • Dreimal in der Woche fuhr sie die Bahnstrecke BerlinHamburg. Ihr Ziel war der Firmensitz in der Mönckenbergstraße 12-15.

Bei Zahlen

  • Bei –5 Gradcelsius traute sich keiner nach draußen.
  • Auf dem Preisschild stand 125,- Euro.

 

Der Geviertstrich (—) kam aus der Mode

Mit Binde- und Gedankenstrichen sind die am häufigsten verwendeten Stricharten in der deutschen Sprache bereits abgedeckt. Und doch verbleiben noch einige Exoten, wie der Geviertstrich. Er ist, wie der Name schon sagt, ein ganzes Geviert lang und wird besonders in der klassischen englischen Literatur, aber auch in der deutschen Sprache als Alternative zum Gedankenstrich eingesetzt. Heute ist er allerdings aus der Mode gekommen.

Der Unterstrich (_)

Im Gegensatz dazu wird der Unterstrich in der modernen Typographie immer beliebter und wichtiger. Er kommt ursprünglich aus der Programmiersprache und taucht in unserem immer digitaler ausgerichteten Zeitalter zunehmend in Texten auf – beispielsweise in Email-Adressen oder Dateistrukturen. Der Unterstrich ist aber auch ein Hilfsmittel für die gender-sensible Schreibweise. Entsprechend gesetzt, weist er auf die Missstände in der sprachlichen Gleichstellung von Mann und Frau hin.

Unterstriche kommen vor in:

der Technik

  • Seine Email-Adresse lautete max_mustermann@service.de

dem Gender-Gap

  • Mit ihren Kolleg_innen ging sie nach der Arbeit noch ins Restaurant.

 

 

 

Charlotte Erdmann
Unsere Autorin Charlotte Erdmann, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Solokarpfen Publishing UG. ©viaprinto (Bild: Matthias Martin)

Vom richtigen Satz der Striche kommen wir in der nächsten Folge dieser Serie zum guten Aussehen von Tabellen.

 

 

Bereits erschienen:

Die Geschichte der Schrift.
Abstand halten, Raum geben: Größen und Laufweiten von Schriften.
Das Schriftzeichen, die kleinste Einheit der Typografie.
Blutsverwandtschaften: Von Schriftfamilien und -schnitten.
Die Einteilung von Schriften.
Plädoyer für eine bessere Leserlichkeit.
Buchstabensalat: Lesen und erkennen.
Gleichgewicht der Kräfte: Von Kontrast, Zeilen und Grauwerte.