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Abstand halten, Raum geben: Größen und Laufweiten von Schriften
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viaprinto-Wissen: Typografie

Abstand halten, Raum geben: Größen und Laufweiten von Schriften

„Schrift ist eine wunderschöne Gruppe von Buchstaben, nicht eine Gruppe wunderschöner Buchstaben“, sagte einmal der britische Schriftgestalter Matthew Carter. Es ist wie beim Hausbau: Eine schöne Wand an die andere gesetzt, ergibt noch lange kein stabiles Haus. Ein grandios geformter Buchstabe neben dem anderen wird dementsprechend nicht automatisch zu einem wunderschönen Satzbild. „Zweidimensionale Architektur“ nannte der Typograph Hermann Zapf deshalb die Ausgestaltung eines guten Fonts. Was es dabei vor allem zu berücksichtigen gilt? Das harmonische Gesamtbild, bei dem Abstände und Nähe der Buchstaben im Verhältnis zu ihrer Größe gut aufeinander abgestimmt sind.

Laufweite: Nur in der Theorie ein Problem?

Für Johannes Gutenberg war die Harmonie des Schriftbildes noch ein wichtiges Thema. Im Bleisatz musste der Abstand der Buchstaben, die sogenannte Laufweite, genau berechnet werden. Die Laufweite gibt an, wie dicht die einzelnen Zeichen in einem Wort gesetzt sind. Sie orientiert sich an der Breite des Buchstabeninnenraums: Je kleiner die Innenräume, desto kleiner der Buchstabenabstand. Fette Schriftschnitte mit engen Innenräumen sollten also etwas enger gesetzt werden, als magere Schriftschnitte mit großen Innenräumen. In mühevoller Kleinarbeit schnitten die Schriftschneider früher jede Schriftgröße einzeln und optimierten dabei die Zeichenabstände auf die Größe der Schrift. Dadurch ergab sich immer ein harmonisches Gesamtbild, egal ob es sich um eine Überschrift oder einen kleinen Textkasten handelte. Was damals die Schriftschneider erledigten, machen heute die Schriftgestalter. Sie sitzen dabei allerdings am Computer und geben sich mal mehr, mal weniger Mühe, ihre Fonts an alle Gegebenheiten anzupassen.

 

Proportionale und Nichtproportionale Schriften

In der Typografie werden die Proptionalschriften von den Nichtprotportionalen unterschieden. Erstere passen ihre Abstände an die Breite der Zeichen an. Letztere werden unter anderem bei Schreibmaschinen genutzt und jeder ihrer Buchstaben nimmt denselben Platz ein. Das Resultat ist meist ein eher unausgewogenes Schriftbild sowie viel Platzbedarf.

 

Eine Frage des Kernings

Die besser ausgestalteten Fonts besitzen sogenannte Kerning-Tabellen, in denen genau vermerkt ist, welche Laufweite bei welcher Schriftgröße der Computer anwenden soll. Kerning bedeutet „unterschneiden“, was insbesondere bei bestimmten Buchstabenkombinationen wichtig ist. Ein „T“ zu dem ein „e“ im gleichen Abstand wie ein m Spatien ©viaprintozu einem e gesetzt wird, wirkt verloren. Das „e“ muss etwas unter das Dach des T-Striches rutschen, damit sich das ändert. Solche und andere Anpassungen nehmen aber bereits die Schriftdesigner vor und hinterlegen sie in den Kerning-Tabellen. So weiß der Computer theoretisch immer, welche Abstände er wann wählen muss. Denn beim proportionalen Vergrößern der Schrift berechnet das Layoutprogramm neben der Buchstabengröße auch die angepasste Größe der Vor- und Nachbreite der Buchstaben. An den Laufweiten müsste also kaum etwas verändert werden. Doch das ist lediglich in der Theorie der Fall. In der Praxis sind viele Kerning-Tabellen unvollständig, sodass eventuell nur wenige Größen eines Fonts eine entsprechende automatische Anpassung besitzen. Die Folge: Buchstaben rücken bei Überschriften oder sehr kleinen Schriften zu weit aus- oder ineinander. Das beeinträchtigt die Lesbarkeit, sodass eine manuelle Anpassung wichtig werden kann.

 

Optisch oder metrisch?

In InDesign lässt sich das Kerning „metrisch“ oder „optisch“ einstellen. Im metrischen Modus wird die Unterschneidungstabelle der verwendeten Schrift bei der Verkleinerung der Abstände zu Hilfe genommen. Im optischen Modus wird der Abstand von der Zeichenform ausgehend berechnet. Die bessere Wahl ist meist der optische Modus.

 

Die künstliche Laufweite: Spationieren oder Sperren?

So ist es beispielsweise im Versalsatz, also einem Text aus Großbuchstaben, oft notwendig, die Laufweite individuell zu verändern. Überschriften können ansonsten schnell unausgeglichen wirken. Plakate, Verpackungen, Logos und ein anspruchsvolles Editorial Design verlangen dann dem Setzer einiges ab. Für ihn geht es in solchen Fällen ans Spationieren einzelner Buchstaben, also die Erweiterung der einzelnen Buchstabenabstände von Hand.

Schnittlaufweiten ©viaprinto
Schnittlaufweiten

Spationieren kommt von „Spatium“, also Zwischenraum. Und nichts anderes macht man beim auch Sperren genannten Vorgang: der Abstand der Worte und Buchstaben wird im Sperrsatz verändert. Nutzte der Bleisatz dazu noch eigene Elemente (Spatien genannt), setzt der Computer einfach mehr oder weniger Raum zwischen die Buchstaben. Deshalb wird die Bezeichnung „Spationieren“ inzwischen auch oft gleichbedeutend zur Veränderung der Laufweite genutzt. Tatsächlich aber gibt es feine Unterschiede, auf die man sich in Zeiten der Digitalisierung geeinigt hat: Wird die Laufweite vergrößert, handelt es sich um „Spationieren“. Setzt man zwischen die Buchstaben ein Leerraumzeichen (Geviert oder Viertelgeviert etc.), dann handelt es sich um ein „Sperren“.

Tipps: Auf klein oder groß kommt es an

Beides hat auch in Zeiten des digitalen Satzes seine Berechtigung, sollte aber nur sehr spärlich angewandt werden, wenn beispielsweise die Lesbarkeit bei Texten mit kleinen Schriftgrößen lesbarer oder den Kontrast zum Untergrund verbessert werden soll. Grundsätzlich gilt: Man sollte in die Laufweiten von Schriften nur dann eingreifen, wenn man weiß, was man tut und wenn die Lesbarkeit des Textes dadurch entweder verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird. Als Faustregel sollte man sich merken:

  • Kleine Schriften, Fonts mit schmalen Laufweiten, mit starken Serifen, im Kapitälchen- und Versalsatz sowie im Negativsatz benötigen eine größere Laufweite.
  • Größere Schriften, Fonts ohne Serifen und kritische Unterschneidungen kann man enger setzen, damit die Wortbilder geschlossener wirken. Allerdings müssen Plakate und andere Schriften, die aus größerer Entfernung gelesen werden, eher weitere Abstände aufweisen.

 

Charlotte Erdmann
Unsere Autorin Charlotte Erdmann, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Solokarpfen Publishing UG. ©viaprinto (Bild: Matthias Martin)

 

Auch Unterschneidungen, Ligaturen und Spezialschnitte wirken sich auf die Lesbarkeit eines Textes aus. Wie man damit umgehen muss und sollte erfahren Sie in der nächsten Folge dieser Serie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bereits erschienen:

Die Geschichte der Schrift.
Das Schriftzeichen, die kleinste Einheit der Typografie.
Blutsverwandtschaften: Von Schriftfamilien und -schnitten.
Die Einteilung von Schriften.