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Mittel und Dramaturgie visuell erzählter Geschichten

Serie: Narratives Gestalten

Mittel und Dramaturgie visuell erzählter Geschichten

In den ersten drei Folgen unserer Serie hatten wir uns mit dem Stellenwert von Narrativen in der Unternehmens-Kommunikation als Imagefaktor und der Narrativ-Konzeption befasst. Der letzte Teil geht der Frage nach, welche Mittel ein visuelles Narrativ braucht und für seine Ziele einsetzt.

Narrative lassen sich kurz und knapp wie Slogans zusammenfassen und werden doch langfristig aus einem komplexen Geflecht unterschiedlicher kommunikativer Mittel und Kanäle gebildet. Die Methode zur Vertiefung und Etablierung eines Narrativs in der Zielgruppe ist die kontinuierliche Kommunikation. Diese muss intermittierend stattfinden, also nicht gleichförmig in gleichen Abständen und erwartbaren Formaten. Vielmehr lässt man über einen langen Zeitraum verschiedene Medien miteinander interagieren, die sich ergänzen, dabei aber immer weiter die narrative Kernaussage verstärken.

Wie ambitioniert oder der Zielgruppe angepasst man das visuelle Narrativ gestaltet, hängt vom Angebot und den Erwartungen der Zielgruppe ab.

Originalität und Konformität

Die Schwierigkeit der visuellen Kommunikation auch im Hinblick auf das vermittelte Narrativ liegt darin, originell zu sein, um wahrnehmbar zu werden, ohne die Zielgruppen zu verschrecken oder an ihnen vorbei zu kommunizieren. Ein visuell ausgeformtes Narrativ setzt sich aus der Bildwelt und den Design-Elementen aller eingesetzten Medien zusammen.

  • Will man beispielsweise Internationalität demonstrieren, müssen auf Fotos Menschen verschiedener Kulturkreise zu sehen sein – und zwar immer wieder über einen langen Zeitraum hinweg, bis die Motivik verinnerlicht ist und ins Unterbewusstsein der Betrachter gedrungen ist.
  • Will man Naturschutz kommunizieren, sollten Reportage-Fotos vom Einsatz für die Natur zu sehen sein. Sie müssen so lebensnah fotografiert sein, dass die Leidenschaft für den Naturschutz glaubwürdig erscheint.
  • Möchte man als modern und innovativ wahrgenommen werden, ist ein Corporate Design zu gestalten, das diesen technologischen Ansatz vermittelt, ohne kalt auf den Betrachter zu wirken.

Die Kunst der Etablierung eines visuellen Narrativs liegt darin, nicht Einzelmaßnahmen aufeinander folgen zu lassen, sondern integrierte kommunikative Pakete zu schnüren, wie es die klassische Werbekonzeption seit jeder realisiert: also den Website-Relaunch mit einer Direkt-Mail-Kampagne zu begleiten oder neben Google-Ads und Facebook-Ads als digitalen Anzeigenformaten eine Print-Anzeigenkampagne realisieren, die einen Online-Wettbewerb unterstützt.

Mittel des visuellen Narrativs

Die visuelle Vermittlung von Narrativen vollzieht sich vor allem über einen spezifischen Stil. Ob man Inhalte und Daten nüchtern in Tabellen und Diagrammen vermittelt oder ausgefeilter in Geschäftsgrafiken oder Infografiken ist nicht nur eine Frage der adäquaten Form, sondern eine Frage unternehmerischer Individualität. Der Design-Stil richtet sich nach den zu vermittelnden Inhalten:

  • Ein Software-Unternehmen könnte ein technoides Erscheinungsbild mit geometrischen Digital-Illustrationen realisieren,
  • ein veganer Lebensmittelhandel ein organisches Design mit expressiven Handillustrationen.

Damit wäre aber noch nicht gesagt, wie sehr das jeweilige Design zum Kunden und zu seinen Kunden passt. Viele Branchen haben zudem das Problem, dass zunächst eine Lösung gefunden werden muss, wie man etwas verständlich abbildet. Da gibt es Labore, deren Testverfahren quasi unsichtbar sind. Soll man die Maschinen abbilden, mit denen die Tests durchgeführt werden? Oder die Glücklichen Gesichter der Auftraggeber, wenn sie ihre Testergebnisse in Händen halten? Sinnvoll ist es, herauszuarbeiten, welche Nutzen die Tests ihren Auftraggebern bringen und dies fotografisch zu zeigen:

  • Die Stadtwerke eines Ortes, die ihre hervorragende Trinkwasser-Qualität beweisen können.
  • Die preisbeeinflussende Brennwertermittlung für eine Kohle- und Kokslieferung aus Übersee.
  • Der Hauseigentümer, der durch eine Bodenprobe, einen Prozess gegen ein benachbartes Industrieunternehmen gewann, aus dessen Tanks Verunreinigungen ins Erdreich gesickert waren.

Wie diese Analyseergebnisse letztlich visualisiert werden, ist eine kreative Aufgabe. Entscheidend ist aber zunächst die Wahl der Perspektive auf das Darzustellende und die Art der Ausführung.

Visuelle Darstellungsformen

Visuell umgesetzt können Inhalte in vielen verschiedenen Darstellungsformen werden.

  • Grafik: Eine Grafik kann eine Hand- oder Digitalillustration sein oder ein Schaubild, ein Cartoon, ein in Öl oder Aquarell gemaltes Bild oder ein abstrahiertes Piktogramm, das in ein ganzes Piktogramm-System münden kann.
  • Foto: Fotos können ganz klassisch aufgenommen, retuschiert, digital verändert oder mit Illustrationen kombiniert werden. Auch können Farb-Filter oder das Motiv verändernde Digitalfilter zum Einsatz kommen. Ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten, Fotos digital zu rahmen.
  • Meme: Im Internet gibt es andere Formen der visuellen Präsenz, zum Beispiel witzige Grafiken, Fotos oder Kombinationen aus beiden, die viral online eingesetzt werden sollen, die sogenannten „Memes“.
  • Comic: Wer nicht einzelne Cartoons nutzen möchte, ersinnt Figuren wie ein Maskottchen und baut dies zu einem Comic aus, das aus mehreren Bildern oder vielen Seiten bestehen kann – als einmaliges Projekt oder als Comicreihe mit Serienheld.

Welches visuelle Medium man nutzt, hängt auch davon ab, wie gut die Unternehmenstätigket zu visualisieren ist. Einfach ist es, wenn Produkte vorhanden sind. Geht es um Dienstleistungen, kann es schwieriger werden, je nachdem, wie augenfällig die Tätigkeit darstellbar ist. Dann sind symbolische Fotos möglich, die etwas nicht konkret abbilden, sondern ein Sinnbild für das Ergebnis einer Unternehmenstätigkeit suchen.

Das Verbindende unterschiedlicher visueller Mittel stellt das Corporate Design sicher und realisiert damit einen maßgeschneiderten Gestaltungsstil, der hilft, visuell Aufmerksamkeit zu erregen und individuell wahrgenommen zu werden.

Teilstücke des großen Narrativs

Jedes kommunikative Mittel, auch wenn es als Hauptzweck z.B. ein aktuelles Angebot bewirbt, muss zumindest auch im Dienst des übergeordneten Narrativs stehen. Im Zweifelsfall kann es schon genügen, dass die Bildsprache in eine Richtung weist. Es muss aber immer wieder Werbemittel geben, die das Haupt-Narrativ direkt abbilden und vertiefen. Ein Narrativ hat sich dann verfestigt und etabliert, wenn man ihm wieder und wieder wie selbstverständlich begegnet ist und sich an die Symbolik und Bildsprache gewöhnt hat. Ab da nämlich genügt die Rezeption von Versatzstücken der Bildwelt, um assoziative Abläufe in Gang zu setzen und die Erinnerung in Gang zu setzen.

Wirkung und Produktion von Drucksachen

Visuelle Narrative bestehen aus Bildwelten, die aus Fotos, Illustrationen und Bewegtbild geformt werden. Das heißt, Bilder stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ähnlich wie ein Regisseur beim Film, hat der Designer, Art Director oder Creative Director in Zusammenarbeit mit dem Produktioner vorher Entscheidendes festgelegt: etwa Bildinhalte, Bildgrößen, den Farbkanon oder bei Printprodukten die Druckart und Konfektionierung.

Dazu gehört auch die Papierbeschaffenheit und ihre Veredelung – etwa mit Drucklack, Prägung oder einer Stanzung. Schon das Papier alleine macht einen Unterschied und erzählt eine kleine Geschichte:

  • Matt gestrichenes Papier etwa steht für visuelles Understatement,
  • glänzendes Papier oder Papier, das mit hochglänzendem UV-Lack veredelt wurde, lässt das Druckmotiv regelrecht ins Auge springen.

Dies kann beispielsweise in einem Autoprospekt die hochglänzende Speziallackierung des Cabrios noch realistischer wirken lassen. Oder in einem Katalog für ein Musikgeschäft den Klavierlack eines Flügels besonders realistisch erscheinen lassen. Die richtige Kombination von Papierart mit Veredelung, die kongenial die Gestaltung unterstützen, arbeiten die Prägnanz oder Schönheit eines Entwurfs erst richtig heraus – und legt damit aber auch fest, wie offensiv das Erscheinungsbild nach außen wirken soll. Die Besonderheit von gedruckten Medien ist, dass sie im Gegensatz zu virtuellen Bildschirminhalten eine Haptik haben. Man kann Drucksachen durchblättern, ihre spiegelnde Oberfläche wahrnehmen und sie zum internetunabhängigen Begleiter in den eigenen vier Wänden machen.

Fallbeispiel 1: Das Selbstverständnis der USA als Narrativ

Narrative können umfassend sein. Damit verhält es sich wie mit den Proportionen eines Eisberges: Der kleinere Teil befindet sich über der Oberfläche, der weitaus größere darunter. Hinter einer relativ kurzen Aussage kann sich eine komplexere Botschaft in Form einer Geschichte verbergen. Als Beispiel kann Amerikas Selbstbild dienen. Dort wurden zwei sprachlich geprägte korrespondierende Bilder geprägt:

  • „Vom Tellerwäscher zum Millionär“
  • „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“

„Vom Tellerwäscher zum Millionär“ ist das Versprechen, dass jeder es schaffen könne, es zu etwas zu bringen. Er müsse sich nur anstrengen, clever sei und dürfe nicht aufgeben. Verstärkt werden solche universellen Narrative von Erfolgsgeschichten herausragender amerikanischen Unternehmer oder Unterhaltungskünstler.

Dies korrespondiert mit dem zweiten Narrativ: „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Es suggeriert, dass alles, was ein Mensch erreichen will, auch erreichbar ist. Beide Narrative klingen wie motivierende Werbeslogans, dabei sind sie sowohl Motivation als auch Selbstbild-Definition. In einem solchen Narrativ sagt sich die Nation selbst, wer sie ist oder eigentlich: wer sie sein will. Jedes weitere Bild, dass nun sagenhaften Reichtum zeigt, zementiert dieses Narrativ weiter. Viele andere Insignien von Reichtum und Erfolg tun dies ebenso: Fotostrecken von Glitzerstädten wie Las Vegas oder lebensprägende technologische Erfolge durch die großen Technologie-Konzerne Apple, Google, Facebook, Microsoft, Tesla, Amazon oder Netflix. Selbst Symbole wie die amerikanische Flagge oder die Freiheitsstatue werden als visuelle Stellvertreter mit dem Narrativ verknüpft.

Fallbeispiel 2: Mercedes Benz und sein Narrativ der Solidität

Ein deutscher Autokonzern wie Mercedes Benz, der sowohl für technische Zuverlässigkeit wie für Innovation steht, transportiert seine Inhalte auch über Narrative, zum Beispiel

  • durch große Erfolge in der Formel 1,
  • über junge Influencer in Social-Media-Kanälen, die in Mercedes-SUVs fahren und daraus in ihren Videos berichten oder
  • über die Darstellung technischer Details, von Fahrkomfort und Nutzen seiner Leistungsfähigkeit in Broschüren, Direkt-Mailings oder im Web.

Dabei haben sich auch die Slogans, die ein Narrativ auf den Punkt bringen, gewandelt bzw. je nach Fahrzeugklasse diversifiziert:

  • Mercedes-Slogan früher: „Ihr guter Stern auf allen Straßen“
  • Mercedes-Slogan heute: „Das Beste oder nichts“
  • S-Klasse: „Mehr als nur Transport“
  • C-Klasse: „Willkommen in der Komfort-Zone“

Mercedes vermittelt auch visuell in gediegenen Fotostrecken ein Narrativ, das einen denkbar großen Bogen vom Erfinder des Automobils bin zu aktueller ausgereifter Spitzentechnologie spannt, die Sicherheit, Luxus und Verlässlichkeit kommuniziert. Dabei spielen Fotomotive eine Rolle, die die PKWs manchmal als entfernte Verwandte von Raumschiffen erscheinen lassen, andererseits aber auch Umweltgedanken transportieren. So lautet eine Überschrift aus einem Anzeigenmotiv für einen E-PKW von Mercedes: „Naturschutz trifft Insassenschutz“. Fotografiert wurden viele Mercedes-Luxus-PKWs relativ formatfüllend. Die Bildsprache vermittelt so Stärke und Dominanz.

Fazit: Ansätze visueller Narrative

Fazit: Ansätze visueller Narrative

Damit ein Narrativ verfängt, muss es stilsicher sein, prägnant und kompakt:

  • Die einfache und kurze Darstellung der Grunderzählung, ermöglicht ein gutes Erinnern
  • Jede Geschichte hat eine adäquate medial-visuelle Vermittlungsebene, die sich nach den Kommunikationszielen, der Zielgruppe und der Unternehmensidentität richtet.

„Mediale Vermittlungsebene“ bedeutet, dass es passende Medien gibt, das die Geschichte wie ein Händler „vertreiben“ bzw. ausdrücken. Ein visuell transportiertes Narrativ in Form einer Imagebroschüre oder eines Flyers funktioniert anders als ein Podcast oder im heiteren „TikTok“-Kurzvideo-Kanal – jedes Mal geht es darum, dass das Medium als Vertriebsort Aufmerksamkeitswerte generieren soll. Um das zu erreichen, ist nicht nur eine glaubwürdige Geschichte wichtig, sondern eine, die dem Medium und seiner Zielgruppe gerecht werden. Kompaktheit ist in der Unternehmenskommunikation wichtig. Zumindest muss es eine innere Ökonomie der Gliederung einer Drucksache geben. Die führt dazu, dass wichtige Inhalte sehr schnell beim Erstkontakt über Bilder als Hingucker, Überschriften, Vorspänne, Infokästen selbst beim oberflächlichen Rezipieren wahrgenommen werden.